Geduld gedeiht in leerer Hand

geduld gedeiht in weiser handFreitag, 09.01. & Samstag, 10.01.2015

Im letzten Jahr war ich in meiner inneren Welt auf Reisen, während mein Körper weniger unterwegs sein wollte. Es genügten kurze Ausflüge ans Meer. Den Körper setzte ich anders in Bewegung. Kontakt zum Körper und Bewegungsfreiheit, die Sicherheit gibt, in grenzüberschreitenden Situationen. Damit ich mich nicht bibbernd unterm Bett verstecke, wenn Gefahr droht. Das war der Plan.

Beim ersten Karate-training ahnte ich nicht, wie sehr sich die körperliche Form der Auseinandersetzung in das beginnende Werden und die Reise nach innen einreihen würde. Während das Ringen um Stärke und Macht in den Schatten treten werden, aus dem sie immer mal wieder Steine in den Weg werfen. So auch diese Woche.

Nach dem Training formten sich in mir Bilder, wie ich wutentbrannt mit den geschlossenen Fäusten auf den Boden des Dojos stampfe. Ich sehe meinen Körper gekrümmt, der Rücken wie eine Brücke zwischen Kopf und Po, die Augen geschlossen aus denen rote Blitze peitschen und die Wut als ungeduldiges Raubtier. Stattdessen, während der Trainingsstunde, spüre ich meinen Körper als hohlen Holzkolz, der sich müht, den neuen Bewegungsablauf zu koordinieren, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren. Die Füssen balancieren über den Boden. Der Geist ruhelos. Der Atem hektisch oder ganz vergessen. Halte Luft an. Und im Nacken sitzt steinhart die Ungeduld, welche näher an das Ohr rückt und flüstert: „Ich sei weit entfernt von einem fließenden Übergang. Und sie hätte, mehr von mir erwartet. Aber so ist das mit dem trügerischen Schein.“ Kaum ist diese Stimme verklungen, setzt der Tenor ein mit dem sich mehrfach wiederholenden Refrain: „Lass es lieber sein.“

Die finale Musik bleibt aus, dafür fließt der Schweiß mit jeder weiteren hölzernen Bewegung. Balance halten, Vorstellungen kommen und gehen. Die Konzentration gibt den Takt an, ergreift die Ungeduld und fordert sie zum Tanzen auf. Im Kontakt mit der Wut stößt die Faust auf eine Pratze, die Ungeduld zum Schweigen gebracht und vom Energiefluss ganz weiche Knie. Mit jeder Wiederholung streicheln die Füße den Boden.

die bernsteinfrau

PS.: Auch hier will ich verstehen und fragte nach passenden Büchern. Gleichzeitig regte sich Widerstand. Inwiefern ist das Verstehen eher das eigene Spiegelbild, welches mit jeder Bewegung und Begegnung im Karate greifbarer wird – ohne je in den Spiegel geschaut zu haben -? Der Geduld durch Erfahrung und Wiederholung im Machen des Prozesses nah sein und weniger durch bereits abdruckte Worte auf weißem Papier.

„Die Kunst des Karate ist keine Form der Selbstdarstellung. Sie ist Möglichkeit und Gelegenheit zu erkennen und zu verstehen und über das eigene Ego hinauszugehen.“

„Verwirrung ist Verwirrung. Iß einfach etwas, geh schlafen und lasse deinen Geist zur Ruhe kommen. Unser Geist ist wie trübes Wasser: der Schlamm setzt sich von allein ab, wenn wir nicht darin herumrühren.“

– beides aus: „Karate. Die Kunst des leeren Selbst“, Terrence Webster-Doyle

Anmerkung: Die abgebildete Person hat ihr* Einverständnis gegeben, dass ich hier das Foto verwenden darf. Für mich symbolisiert die abgebildete Situation eine Form der Gelassenheit, die Raum schafft, damit Geduld Blüten tragen kann.

Worauf basiert mein Glaube?

worauf basiert mein glaube08.01.2015

Seit einigen Monaten stelle ich mir immer mal wieder die Frage: „Worauf basiert meinn Glaube?“ Diese Suche ist weniger religiös motiviert, sondern mehr frage ich mich – gerade weil ich nicht getauft bin – woher nehme ich meine Hoffnung? Gehören Hoffnung und Vertrauen als eine Art Kompaktpaket zusammen? Und ein mensch, der selten die Hoffnung aufgibt, woran glaubt sie*? Ich rücke mir selbst dabei immer ein Stück näher und gleichzeitig gibt es eine Abwehr. Eine Form von innerer Mauer, die es verbietet, sich selbst im Spiegel ein wenig näher zu betrachten. Möglicherweise, weil es bedeutet eigene Sehnsüchte und Bedürftigkeit vor anderen darzustellen. Offen sein, ein versöhnliches Herz und eine zarte Hand reichen und/oder annehmen. Ich reiche mir meine Hand, um zu spüren, wie ich mich anfühle.

Bei dieser Suche muss ich den intellektuellen Kopf ausschalten, der sich manchmal wie ein Soldat an einer Grenze mir in den Weg stellt. Das Eintauchen und Versinken in der Farbe lässt Erinnerungen wach werden, die wie in einem Land unterhalb der inneren Verkrustungen still gelegt waren. So auch kürzlich begegnet ich mir beim Malen, was eigentlich mit dem Schreiben begann. Aus den Worten fließen Bilder und am Ende erkannte ich meine eigene Schrift nicht mehr. Glücklich zu wissen, es gelingt, fernab von Anpassung – ich kann meine eigene Schrift nicht mehr lesen. Dafür öffnete der Grenzsoldat* seine Pforten und trat in den Schatten, um neuen Raum zu schaffen, der ganz unerwartet sich zeigte. Meist befürchtet ein Teil von mir, dass sich lediglich zerstörerische Leere meinen Geist zur Erstarrung verflucht. Schlimmer noch, es wird offenbar, dass die Sinnhaftigkeit des Lebens sich als eine bloße Eitelkeit meiner nach Aufmerksamkeit dürstenden Persönlichkeit enttarnt und sichtbar für alle* bleibt das Bild, ich versage täglich an mir und anderen.

Doch je tiefer ich in meinen Welt der Emotionen und Erinnerungen tauche, um so mehr kann ich diese Vorstellung von mir selbst loslassen und mit neuen Vorstellungen überschreiben. Erstaunlicherweise ergreift dabei die tieferes Verstehen das Kommando. Ein tieferes Verstehen in den Lauf der Dinge und Kreislauf unseres Seins. Es ist nicht religiös und es ist religiös.

Ich kämpfe – manchmal gefangen in Loyalitäten – so als würde ich eine ganze Menschheit verraten. Die* ganze* Menschheit* umfasst in meiner* Kleinbürgerlichkeit* vermutlich die Kernfamilie und Sozialisation in Zeiten des Umbruchs und der Veränderungen um 1989. Ich lehne jeden* Dogmatismus* ab. So sehr, dass das beobachtende Auge wohl sagen würde, in dieser Ablehnung wohne etwas Dogmatisches.

Verrat – Angst– Scham. Fast wie auf einer Bühne. Nur der Tod ist verbannt. Hier ist der Grenzsoldat sehr streng. Kaum Raum für Abschied, denn was zählte, ist nun vorbei. Endgültig. Chance verpasst. Nichts kehrt wieder. Der Tod ein dunkles Loch, in das du fällst ohne Halt. So ist der Zweifel treibende Kraft in der Gegenwart, der bewertet und beäugt und der urteilt und die Gelassenheit im Keim erstickt. Nur heimlich – im Land unterhalb der Verkrustungen – ein wildes Treiben.

Ein Teil in mir beginnt sich zu wehren und fragt hartnäckig: „Worauf basiert mein Glaube?“

die bernsteinfrau

PS.: im künstlerischen seminar der kunsttherapeutischen ausbildung. eine reise vom wort zum bild. die schreibschrift ufert aus:

Die Schlange glitt davon,

doch ihre Augen

blieben im Gras.

Kyoski

Nie las ich Marx und nur ganz selten blätterte ich in der bibel. Ich sitze auf der erde und höre mein herz klopfen, den atem fließen und lasse zu. Ich erinnere mich, wie ich heimlich, das buch von jean effel aus dem regal meiner oma , die mutter meines vaters – die an die partei glaubte, angelte. Erzählte es niemanden. Beschämt, stellte ich es zurück. Und plötzlich viel später begegnet mir die schlange in form des teufels und ich mache mich auf die Suche. Ohne Ziel.