So bald ich einen Tag versäume, den Boden nicht von Hundehaaren zu befreien, denke ich, die Welt würde jeden Moment zusammenbrechen. Die Angst, vom Untergang der Welt, sitzt tief. Die Angst ist in guter Gesellschaft. Nämlich Kontrolle und Aberglaube sind gern gesehene Nachbarn. Gemeinsam haben wir alles im Griff, aber nur unter bestimmten Umständen. Routine und Gewohnheiten müssen einem bestimmten Fahrplan folgen. Fehlt dabei nur ein kleines Detail, klingelt ein neuer Geselle an die Tür. Ein Schmarotzer, der alles besser weiß und uns gut zuredet, versagt zu haben. Und dass wir uns eben beim nächsten Mal noch mehr anstrengen müssen. Wir haben nicht alles gegeben, oder brauchen vielleicht ein paar Hilfsmittel, um das nächste Mal mehr bringen zu können, die eigenen Vorsätze umsetzen zu können. Weniger faulenzen und sinnlos in die Luft starren. Mehr Härte, Disziplin und Durchhaltevermögen. Es gäbe da eine Pille, die wirke Wunder. So bald ich mich ruhig in eine Ecke verkrieche, um ein Buch zu lesen oder einfach den Schaukelbewegungen meines Hängesessels folgen will, kommt ein starrer Kopfschmerz von der Stirn ausgehend bis hin zum Nacken. Etwas verbittet es mir, einfach zu sein.
Jedes Mal, wenn ich den Motor des Staubsaugers an schmeiße, weiß ich – nun bin ich meiner Mutter sehr nah. Irgendwie ist dies ein Augenblick der Intimität und Verbundenheit. Deshalb wiederhole ich es täglich. Während der Rückzug und das Versinken in eine Gedankenwelt das Trennende zwischen uns darstellt. Etwas Trennendes, was mich ihr entfernt und wofür ich mir die Erlaubnis geben muss und sobald die Erlaubnis erteilt worden ist, erscheint ein Schmerz auf der Oberfläche, um den Augenblick des Versinkens nicht ganz so angenehm zu gestalten. Ich glaube, deshalb bin ich unbewusst auch immer auf der Suche nach verschiedenen Müttern gewesen. Mütter, die mir eine andere Welt zeigen und sich freuen, wie ich meinen Weg gehe und trotzdem bleibt die Zerrissenheit und der innere Kampf um Erlaubnis.
Wahrscheinlich bin ich wütend. Wütend bin ich auf beide. Mein Vater, der mich nie mit zum Angeln genommen hat, weil ich ein Mädchen* bin. Dabei wollte ich mit ihm Nähe und Verbundenheit erleben. Erstaunlicherweise habe ich ganz selten nach anderen Vaterfiguren gesucht. Ich kann mich erinnern, dass ich mal meiner Mutter schrieb, ich wolle eine andere Mutter. Sie schwieg und ich schwieg aus Beschämung. Ich schämte mich für diese Gedanken und Wunsch. Vermutlich verdammte ich so den Ärger und die Wut und richtete eher den Blick auf mein eigenes Versagen. Es gab Momente, in denen ich dachte, ich sei adoptiert. Meist schämte ich mich danach zutiefst und versuchte ganz schnell diese Gedanken aus meinem Hirn zu verbannen. Ich fühlte mich abgetrennt und nicht zugehörig und lief mit der Last herum, dass ich dafür die Verantwortung trage. Schuldig. Bis ich nun so langsam verstehe und für das Auslösen des „Entweder-Oder“ mit mir ringe. Ich begegne meiner kindlichen Welt, in dem ich die Mutter* in mir, loslasse. Und vielleicht, wenn es bald wieder wärmer wird, gehe ich mal angeln.
Und eigentlich geht und dreht es sich, um den liebevollen und sanften Zugang zur Welt. Das Vertrauen ins Urvertrauen – ganz losgelöst von normativen Geschlechtsvorstellungen. Versöhnlich mit den aufoktroyierten Erwartungen und mit viel Kontakt zur Erde. Dem inneren Selbst näher begegnen bis der Schmerz sich auflöst und ein Lächeln hinterlässt. Das Zwanghafte verbannen und den unbewussten Handlungen mehr Aufmerksamkeit und Liebe schenken. In den Fluss des Lebens eintauchen und darauf vertrauen, dass niemand so schnell ertrinkt.
die bernsteinfrau
PS.: und eigentlich war der plan – in jedem tag ein bild zu finden – aber es gibt manche tage, die sind schwarz und farblos und ich gewöhne mich erst daran, dies auch offen zu zeigen. So bleiben auch immer wieder sprachlose und schweigsame Lücken. Die hoffnungslose seite der hoffnung muss* in mir noch wachsen, damit sie ohne lange kämpfe ihre freien lauf und ausdruck findet. Ich bin auf dem weg – ganz gleich, wohin es mich führen wird. Ich laufe …