Fragment

Spiel der Masken

Die Nacht bricht

ihre Scherben in

winzige Mosaikstücke

es sammelt sich im Trauerfluss

spitzfindig Reibung am unterem Ende

des Tages –

all das Lachen ausradiert

bleich schraubt sich der Magen

um die Leere

Krämpfe entziehen dem getigertem Kater

die letzten Tropfen Lebensenergie

Stilles Leeren bricht

über dem eingebildetem Feuer

Panzerglas in winzige Risse

zwischen uns

gibt es nichts

nichts war

nichts ist

nichts wird Sein

im Spiegel spiegelt

sich ermattet mein

Spiegelbild von mir

im Spiegel ein Spiegel ohne dich

wörtliche Kritzelei

Leave behind // Wolkenwandler

i don‘t care anymore

step behind

step past

step inside without fearing yourself

and

i don‘t care anymore

***

es kümmert mich nicht

dein blick auf mich

die vorgefertigten, zugeschnittenen Folien vor deinen Pupillen

drängen nicht mich in Enge,

die dröhnt aus vergilbten Zeiten vergessener Unsichtbarkeit.

***

seelische Realität wächst, gedeiht im Raum

zwischen Ich und Du

lasse nichts platzen auf deinem fragilem Selbst

dancing on my own

***

es kümmert mich nicht

dein blick auf mich

eine trügerische Putzaktion unter ausgefallenem Licht

scheint es glatt richtig

verloren zu gehen

zwischen

plus und minus

kalt und warm

fest und flüssig

***

in der Symmetrie lebt ES sich asymmetrisch

***

es kümmert mich nicht

dein blick auf mich

entblättere meinen Körper

entzerre//öffne//stimme ein// bewege // kreisförmig

bemerke lustvoll die Pause zwischen

Anfang und Ende

ein Atem

atmet aus

all die aufgesetzten Spiegelschichten

atmet ein

grounded growth

grounded fields

***

es kümmert mich nicht

dein blick auf mich

es wandert längst mit mir

Hand in Hand

auf den schmalen Pfaden zwischen

Wolken und Horizont

***

lange Weile

öffnet Verschlossenheit

es kümmert mich nicht

dein Blick auf mich

es wandelt längst mit mir

in transzendierten Zeiten

Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft

beackern Körperflächen bis auf den Grund

geschwungener, resonanzgeräumiger gerippe

***

es kümmert mich nicht

dein blick auf mich

einzig//artig//selbst//wert//schöpfend//

augen//innen//und//außen

dein blick fängt mich nicht

drängt nicht mich hinter die Gitter

deiner augenblicklichen Sehhilfe

***

I don‘t care anymore

falling free

and

holding me

by myself

dancing on my own

dancing on my own

losing my love

in the song of

my holy uterus

***

es kümmert mich nicht

dein blick auf mich

längst übertönt

schwingt//pulsiert//überstimmt

holy uterus

– hör auf zu füttern

gefräßige magenräume

mit durchlässigen wänden –

kümmere dich nicht

***

falling free

and

holding yourself

losing your grateful love

while you dancing with all your own shadows

under your lighting

singing

holy uterus

***

kümmere dich nicht

um mich –

falling free

by your own.

Leave yourself behind

***

– being in life –

– being in love –

***

I don‘t care anymore

Leave you behind

without fearing

falling free.

***

– being in life –

– being in love –

wörtliche Kritzelei

Eine Vorgeschichte einer Geschichte, die sich vielleicht nie schreiben wird:

Ein kleines Schaf, was auf dem plüschigen Kopf ein gewaltiges Stiergeweih mit sich trägt und sich hin und wieder gern die Haare kunterbunt färbt. Dazu gesellen sich: ein Angsthase, der um den dünnen Hals eine Federboa bindet, eine Antilope, die auf den Beinen eines Rennhundes durchs Leben trabt, ein Chamäleon, was sich von Zeit zu Zeit in ein weiß-helles Meditationszimmer zurückzieht – eine Magierin, die sich einen Phönix als Haustier zähmt und ein dunkler dickhäutiger zweiköpfiger Drache, der Vereisungsspray speit statt Feuer –

alle tanzen gern in ganz eigener Art immer wieder aus der Reihe.

Die Wesen leben in dem Land, was ganz tief unter all den Verkrustungen verborgen liegt. Kaum sichtbar, kaum fühlbar. Das Treiben ist nicht hörbar für die Anderen. Geschweige denn dass sich ein Fremder in jenes Land verirren kann. Der Weg dorthin ist ein verworrenes Dickicht, was sich jeden Tag neu erfindet. Für all die Wesen, die im Land unter den gebirgsartigen Verkrustungen ihr Unwesen treiben, existieren keine anderen Länder. Eine beglückende Unwissenheit; selbst die Existenz tief schlafender Wesen innerhalb der Verkrustungen ist ihnen unbekannt. Noch ahnen sie, dass die gebirgsartigen Versteinerung von Menschen geschaffen worden sind. Stattdessen wird fleißig eine Softeismaschine entwickelt, die selbständig auf eigenen Beinen stehen und wandern kann. Mehr noch, denn sie spürt sehr genau die Resonanz und Bedürftigkeit aller Wesen, um stets passend zur und punktgenau zur Stelle sein zu können, wenn ihre Dienste benötigt werden – in Windeseile. 

Nicht zu vergessen als elementar tragendes Element braucht es eine unsichtbare Wand, die sich mal zeigt und wieder abtaucht. An deren Mauersteine hängt ein piepender Apparat, der den zweiköpfigen Drachen per Klick in eine Maschine aus Eisen verwandelt. 

Während im verwunschenen Dachstübchen eine Professorin darüber grübelt, welcher ausgetüfelte Mechanismen wohl die Maschine dazu verleiten kann noch mehr Wesen in Eisen zu transformieren.  Das kleine Schaf scheitert immer wieder an diversen Fluchtversuchen und gibt trotzdem nicht auf, selbst wenn es sich ganz fürchterlich am eigenen Stiergeweih verletzt. Das Rauschen des Zauberwasserfalls beruhigt alle in der Nacht. Sein Fließen verstärkt sich, so bald eines der Wesen im Land unterhalb der Verkrustungen traurig wird. Der Wasserfall weint all die übergangenen Tränen. Auch jene Tränen aus den Augen derer, die für die Verkrustungen verantwortlich sind. Es schließen sich Kreisläufe; der Zauberwasserfall spendet durch das Weinen genügend Wasser. 

Ganz zuletzt: Ein kleines Mädchen, was in einem Baumhaus unter einem riesigen Banananblatt selbstversunken lebt. Bisher ganz leise und unbemerkt. Das Schaf wird sie entdecken und sie werden Freundschaft schließen, um gemeinsam einen Weg nach draußen zu erforschen. 

 

Gekritzeltes

Randnotiz

Trauer traut sich auf’s Butterbrot

Mutter schneidet/ vorsorglich / die harte Kante / mit dem Abendbrot / Messer / in einer Vorrunde/ ab / seits / aus dem / Landschaftsbild/ an der/ weißen / Wand / als/ komplementär/ GEGENÜBER / liegend/ zur Flimmerkiste.

achtsames Experiment, teil drei – körperliche Energien versus Optimierungsfalle

…oder wenn (Termin)Erinnerungen zum Stressfaktor mutieren.

img_0567An manchen Tagen gelingt das Experiment mit der Achtsamkeit nicht. Es äußert sich dann als Last; ein weiterer Termin in einer Zeit, die viele Aufgaben und Anforderungen den Atem stocken lässt. Im Inneren der Blick in die Zukunft gerichtet; anhaftend an Vorstellungen, wie könnte es sein. Im Grunde vielleicht sogar eine Form von Ermahnungen und ein -sich-selbst-Mut-zusprechen-; also eine innere imaginäre Wunschaussicht aus dem Fenster in die Zukunft, wofür es sich im Hier und Jetzt lohnt, so viele Bürden auf sich zu nehmen. Fast paradiesisch mutet die innere Aussicht auf zukünftige Erlösung an; nur wiederum ein innerer Quälgeist  stänkert und fordert ein, lässt Rufe nach mehrjährigen Garantien immer lauter im Denkkarussell kreisen. Vor lauter Schwindel beruhigt sich in der Meditation nicht mal der Atem, welcher unaufhörlich fließt. Es scheint, als atmet es sich nicht. Ausharren, Kribbeln  und Krämpfe an Körperstellen, das Gehirn drückt gegen die Schädeldecke, die Stirn platzt vor Verkrampfung und ein unruhiger Geist weigert sich von imaginären anhafteten Vorstellungen loszulassen. Glück lässt sich nicht verlängern. Je stärker das Streben, die Zeit festhalten zu wollen, um so schneller treibt alles unbemerkt davon. Wandel als innere Haltung anzunehmen, bedeutet wohl auch wohlwollend anzunehmen, das Glück und Zufriedenheit sich verflüchtigen, so bald du ES festhalten willst. Sich selbst GEHEN lassen, gelingt vielleicht irgendwann durch das stetige Wiederholen von Wandel. Und dazu dürfen die Tage, an denen alles zu einer klebrigen Massen verschmelzt, nicht fehlen. Erst das Erspüren von unterschiedlichen Bewusstseinszuständen, macht ES lebendig. Mir drängen sich die nächste Frage auf, die Raum und Zeit brauchen, um auf der Zunge zu zergehen: Wie erspüre ich die Unterschiedlichkeit der Räume von Zweckfreiheit und Sinn? Wie kann zweckfreier Sinn sich äußern? Und geht das überhaupt; zweckfreier Lebenssinn? KOMMEN und GEHEN schließen sich als eins im Kreis?

…wald vor lauter bäumen

…. da dachtest du d_ie Blindheit, mit d_er du* durch binäre Sozialisation verblenimg_0389det bist, sei bereits geklärter und mit Weitsicht überschrieben …. nix da!

vor lauter bäumen blind für die Einhörner_innen

 

im Wald. Nach den bewegten Tagen in München auf der trans*inter*tagung erweitern sich innere Räume und versuchen sich nach Außen zu artikulieren.

verbundene Sequenzen zwischen Kognition, Deutung, Erklärung und den Wellen von Scham, Unbehagen, Angst – Verstecke lassen sich bergen; Schutzräume werden an den Innenwänden mit Plüsch ausgekleidet und am Ende des Tages passen keine (Begehren)Labels und Zuschreibungen mehr; die sich meist in der binären Zweigeschlechtlichkeit formten, um die Sehnsucht nach Ver_ortung stillen zu können. Vor dem Schlafengehen erinnere ich mich an einen Sommertag im Hof meines Onkels; unbedarft und voller Lebendigkeit spreizte ich beim Sitzen meine Beine. Noch heute spukt die Ermahnung meiner Oma im Ohr: „Mädchen, sitzen so nicht!“ Morgen nach dem Aufwachen werde ich mir jen_e vergessene und in den dunklen Scham*bereich verdrängte Körpergeste mutig & stolz wieder aneignen. Versunken im performativen Akt bin ich weder-noch; ich streiche weder das sie* noch das er*; ich unterstreiche d_en Wandel und das Ineinanderfließen in der Gegenwart und erprobe meine Blindheit; vielleicht führt mich bald ein kleines* Einhorn durch den düsteren Wald. Ich besorge schon mal Batterien für die Taschenlampe und übe, übe, übe!

Batman lebt!

Mittwoch, 19.08.2015

…. völlig im Rausch zwischen Steinstaub, Ideen von Draht-Stein-Beziehungen und Tim Burton ….

Die Ausstellung ist berauschend und lohnenswert; noch bis 03.01.2016 im Max Ernst Museum in Brühl.

The World of tim Burton in Brühl

Ich hielt vor lauter Freude die Ausstellung nicht aus und entschied, ich muss noch einmal hin. Und es sind die besten Batman-Filme. Ich erinnere mich gut an das Kino in Wolfsburg in den 90zigern!

Ich spitze mal meine Stifte und mache mich weiter auf die Spur von Linien, die sich in der Einkehr und Stille zu fabelhaften Wesen formen. Und wie der Stein sich in ein Chamäleon wandelt, wäre auch eine winzig kleine Erzählung wert.

Aber heute Abend hole ich mir Batman & Catwoman ins Haus!

Jäger_in unter Sammler – ein besonderer Nachtrag

… die Art Cologne ist eröffnet. Erstaunlicherweise wendet sich manchmal das Blatt von heute auf morgen. Eigentlich mag ich zu viele Bilder in einem Raum nicht. Schwierig wird es, wenn Räume mich an Einkaufszentren erinnern. Schnell bin ich genervt von solch einer Atmosphäre, fühle mich überrannt und wenig präsent mit ungenügender Aufmerksamkeit. So dass ich nur flüchtig betrachte, um einer Überflutung aus dem Weg zu gehen …

… so wäre ich eher nicht auf die Idee gekommen, mir ein Ticket für die Art cologne zu besorgen und habe es trotzdem gekauft. Heute spürte ich eine seltsame Aufregung, weil ich wusste … es ist eröffnet und Alex Lebus ist dabei. Und ich werde mir für ihr Werk Zeit nehmen, worauf ich mich freue. Und vielleicht schreibe ich danach einen Text und vielleicht beginnt der Text mit einer Erinnerung, wie wir (damals zu viert) uns aufmachten zur Documenta nach Kassel. Das Geld reichte für das Zugticket. Wir drückten uns die Nasen an der Eingangstür platt, heimsten Prospekte ein und ein Foto, was bei mir im Fotoalbum klebt, – junge Menschen auf einer Parkbank in Kassel. Wir waren dabei!

… und heute drückte ich die Daumen … eine Jäger_in unter all den Sammlern darf nicht verloren gehen. Manche Fragen bleiben gleich, auch wenn der Zahn der Zeit daran nagt; Suche nach Identität und Sinn; mit der Klarheit ein Teil des Systems zu sein und der Verweigerung die Bühne für eine facettenlose Marionettennummer zu nutzen … ich bin gespannt, was ich sehen werde am Samstag auf der Art Cologne. Ich mache mich auf die Suche … und schreibe vielleicht einen Text für dich. Wie damals. Nur anders. Mit dem nagenden Zahn der Zeit am pochenden (Welt)-geschehen, tief verwurzelt und entwurzelt!

http://www.alexlebus.com/

http://www.alexlebus.com/works.html

bernsteinfrau

Dosenbier am Rhein

Dienstag, 14.04.2015

Bild wird nachgeliefert – ohne Aufschlag

es ist eigenartig. Du triffst Menschen, mit denen du in der Jugend Träume geteilt hast oder zumindest in der jugendlichen Vorstellung von Rebellion und dem Grenzen-sprengen dachtest du, du würdest etwas teilen … und nun erst gestern erwähnte ich, dass ich die Idee, Menschen um die 50 (jahre) seien in der Mitte ihres Lebens angelangt, unsinnig finde.

Denn ich nehme mein Alter (bald 35) und addiere es mit derselben Zahl und nun was soll ich sagen … Mathematik irrt sich nicht .. und dies scheint mir näher an der Mitte des Lebens. Was auch immer die Mitte bedeuten mag. Und heute – gewappnet mit Dosenbier – treffe ich einen Menschen, der mir viel bedeutet hat, und ich sehe graue Haare.

Ich frage mich selbst, inwiefern ich mich verrate. Systemkritik, Kritik am gesellschaftlichen Treiben und die eigenen Zwänge, inneren (vermeintlichen) Notwendigkeiten und Kompromisse, die du zwangsläufig eingehst. Eine Rechtfertigung für solche Entscheidungen gibt es immer wieder.

Beruflich sich gegen wirtschaftliche Zweige zu entscheiden-,  verdient und erhält meist Anerkennung. Jedoch inwiefern bzw. wo beginnt der Verrat? Sitzt dir der Verrat nicht ständig im Nacken und sei es bereits im jenen Entscheidungen, die du selbst zugunsten der Nützlichkeit triffst? nützlich, um sich farben, papier und pinsel leisten zu können – nützlich, um an der basis impulse für veränderungen setzen zu können – nützlich, um nachzuholen was versäumt scheint – nützlich um auszuprobieren, zu kosten, zu testen – nützlich, weil es privilegien schafft? und du weißt, dass es ein pakt mit der nützlichkeit ist, und dieser pakt die gesellschaftskritik in sich auflöst, die so lediglich zur beruhigung des rebellen ihre funktion übernimmt …. wir menschen sind widersprüchliche wesen …

Hat der Verrat bereits zur Zeit des Abiturs begonnen? In dem Moment, wo das Schreiben und der kreative Prozess als Hobby abgewertet worden sind von der elterlichen Sorge um die zukünftige Existenz des Kindes, was in die befremdliche und bedrohliche Welt ziehen will?

Manche Wege kreuzen sich immer wieder und das ist ein großes Glück. Graue Haare wachsen sehen, das ist Glück. Ich bin berührt über die Vergänglichkeit der Zeit und voller Scham über mich selbst, die sich zu oft beschwert über Verdruss und Langeweile – anstatt den Pinsel in Farbe zu tauchen, oder die Finger über die Tastatur wandern zu lassen und darauf zu Vertrauen, dass der Verrat nie so groß sein wird, als dass ich den Blick für das Wachsen von grauen Haaren verliere.

Ich bin gespannt, wie und wann sich Wege wieder kreuzen. Ich liebe Dosenbier! Und ich trauere um den jugendlichen Eifer, den ich viel zu selten exzessiv ausgelebt habe … ich bedauere die weibliche Sozialisation, die so viel verbietet und sich nährt durch Verzicht und Bescheidenheit meist an den falschen Stellen und ich bin froh, um die Fähigkeit mich zu erinnern. Die Erinnerungen über Schamgrenzen sich empor gehoben zu haben, machen mich in der heutigen Nacht lebendig. Kein Haus, kein Auto, kein Kind, kein Ehering, keine Eigentumswohnung …. stattdessen Löcher in den Kleidern, Pinsel mit vertrockneter Farbe, zerrissene Briefe, geschriebene Worte, installierte Lebensphilosophien und gelebter Kummer wie auch Glückseligkeit für den Augenblick.

Was hat es eigentlich mit der Autonomie auf sich? Und wo genau beginnt der Verrat? Ich bin Teil des Ganzes und lebe davon, wie es von mir lebt. Alles im Fluss, wir bedingen einander und schaffen Raum für Neues, oder es wird Raum geschaffen, damit neue Samenkörner ihren Weg aus der Erde ans Licht erobern.

Ein neuer Tag beginnt! Ganz sicher … und es ist an der Zeit für heute die Augen zu schließen.

Randnotiz

Karfreitag und darüber hinaus .,..

CAM00266Grundsätzliches …

Ich bediente mich früh (bereits in der Grundschule, wie alle anderen auch) dem Schreiben, um meiner Emotionalität und Gefühlswelt einen Ausdruck zu verleihen, den es im familiären Kontext in seiner Sensibilität und Geduld, der es für mich bedurft hätte, nicht gab. Die Ursachen für das Fehlen von emotionaler und empathischer Fürsorge sind sehr vielfältig und aus meiner Sicht nicht ungewöhnlicher als in anderen Familien, die Umbrüche, sozialen Abstieg und Entfremdung erleiden.

Das Malen trat später in mein Leben. In der Pubertät nutzte ich beides – Schreiben und Malen. Manchmal zog ich das Schreiben vor, weil ich hier zu einer größeren Klarheit und Transparenz neige – während das Malen – wie wohl so oft bei vielen Menschen – sehr einem Perfektionismus unterlag, im Sinne einer wenig hinterfragten, teilweise kleinbürgerlichen Ästhetik. Meine Mutter ist Anhängerin vom Sammeln von Porzellangänsen, Engeln aus dem Erzgebirge und diversen Schmuckgegenständen, die regungslos auf Abstellflächen von Anbauschrankwänden ihr Leben tristen. Der gedeckte Kaffeetisch musste meist ohne menschliche Begleitung auf Fotos festgehalten werden und an den Wänden hingen eher Bilder, die eine Untermalung jener Atmosphäre von scheinbarer Behaglichkeit und widerspruchsfreier Eindeutigkeit sein sollten. Während mein Vater in diesen Gestaltungsbereichen weniger Raum einnahm, obwohl hier und da sichtbar war, dass er zur See gefahren ist. Ich scheiterte an einer sogenannten wahrheitsgetreuen Abbildung der Realität, weil es mich langweilte und zu viel Verbissenheit kostete, was ich nie im Malprozess leisten wollte.

In meinem Herzen schlagen viele Seelen. Ich gehe von der Multiplizität des Selbst aus. Ich schreibe über meine Herkunft, Familie und Erlebnisse, um verständlich zu sein und etwas aufzuzeigen, was aus meiner Sicht exemplarisch für andere Menschen sein kann und mir selbst den Weg weist, den ich einerseits bereits abgelaufen bin und andererseits vor mir liegt.

Ich mag und verabscheue Kleinbürgerlichkeit. Und gerade deshalb fühle ich mich mit meiner Heimat, Familie und Herkunft sehr verbunden. Ich habe keinen Grund mit irgendetwas abzurechnen und Türen endgültig zu schließen.

Meine Familie ist meine Familie und denen fühle ich mich zugehörig – selbst in der Entfernung und Entfremdung. Ich habe das Glück, teilweise Antworten auf Fragen zu erhalten. Mein Großvater mütterlicherseits hat zwei Weltkriege erlebt und verantwortliche Funktionen eingenommen.Während der Großvater väterlicherseits für den Aufbau des sozialistischen System und die Umsetzung des Kommunismus kämpfte, damit aus seiner Perspektive die Gräueltaten des Nazi-Regimes sich nicht wiederholen. Der Glaube an eine Idee, Utopie und Vorstellung gehört trotz der Abwesenheit von Religion und Religiosität gewissermaßen zur Familientradition. Mein Vater, der sich weigerte in die „Partei“-fussstampfen seines Vaters zu treten und keinen Fuß nach dem Mauerfall fassen konnte.

Ich fühlte eine Form von Verpflichtung mich der Situation von DDR-Schriftsteller und das Verhältnis von Öffentlichkeit in der DDR als Diplomarbeit in der Soziologie anzunehmen.

Ich sah meine Eltern scheitern in einer Zeit, wo ich (und mein Bruder) selbst viel Orientierung nötig gehabt hätten. Ich versuchte mich sehr früh, der depressiven Stimmung, der Mutlosigkeit und Enttäuschung zu entziehen – vermutlich hier auch mit Überhöhung von Hoffnung, Zukunftsorientierung und Idealisierung von Menschen außerhalb des Familiensystems – weil mir klar war – ich muss weiterziehen. Für mich gibt es nicht Ost versus West und paradoxerweise habe ich all die Vorurteile und Stigmatisierungen verinnerlicht. Ich lernte theoretisch soziale Ungleichheit kennen, ohne ein Bewusstsein zu haben, dass es mich betraf in Form von Ausgrenzung, Chancenungleichheit und relativer Armut.

Darüber hinaus als Frau, deren Begehren nie eindeutig auf das männliche Geschlecht konzentriert war, sozialisiert zu sein – musste zwangsläufig auch hier die Auseinandersetzung, das Hinterfragen, innere Spiegeln und die Positionierung im Außen erfolgen.

Mich störte zunehmend die Kluft zwischen Theorie und Praxis. Zu Beginn meines beruflichen Lebens hatte ich ein Vorstellungsgespräch bei der Schering AG in Berlin. Ich spüre noch heute mein eigenes Verblüfft-sein, dass ein Unternehmen mich einlud, um mich selbst zu präsentieren. Ich war damals so erleichtert über mein Scheitern. Ich bin es noch heute …

Bereits als ich das Gebäude in Berlin betrat, wurde mir schlecht. Ich zog sogar einen Job im Call Center über eine Zeitarbeitsfirma vor, um den Gang – den ich von meinen Eltern sehr gut kannte – zum Arbeitsamt zu vermeiden.

2009 wechselte ich die Stadt und zog 500 Kilometer in die Ferne. Mir ging es in der Heimat mittlerweile sehr gut. Ich war etabliert und auf dem besten Weg mich beruflich im sozialen und frauenspezifischen Bereich weiter zu profilieren.

Dies unterscheidet mich. Ich gehörte zu denen, die sehr wohl über Gestaltungsräume verfügten. Wohl viel mehr – als in Großstädten, wo es solche Menschen mit viel größeren Spielräumen in den Bereichen von finanziellen Ressourcen, Kontakten , Talenten und Bildung (als ich sie je genossen habe) wie Sand am Meer gibt.

In der Fremde* musste ich mich zunächst daran gewöhnen, eher Außenseiter_in zu sein. Ich fühle eine stärkere Nähe und Verbundenheit zu Freund_innen, deren Eltern beispielsweise in Bulgarien leben. Ich bin gespalten, wenn ich an Wolf Biermann denke. Ich gehöre einer anderen Generation an und kämpfe mit Entwurzelung, einer Sehnsucht nach Heimat, Zugehörigkeit und Loyalität – in einer Epoche, wo mir als deutsche Staatsbürgerin und Inhaberin solch eines Reisepasses die ganze Welt offen steht.

Ich liebe die Großstadt, die Fragen nach Mehrheit und Minderheit zunehmend überflüssig erscheinen lässt, während Fragen nach sozialer Ungleichheit, Ausgrenzung und Armut immer drängender werden.

Ich habe selbst abgespalten auf verschiedenen Ebenen, um zunächst erst mal am neuen Ort ankommen zu können. So ist es jetzt an der Zeit, meinen bereits gegangenen Weg zu beschreiben. Ich klage nicht an. Ich bin dankbar und weiß um meine Privilegien und Ressourcen. Ich bin zufrieden, mich bewusst gegen bestimmte berufliche Stationen entschieden zu haben. Im Gegenzug darf ich erleben, wie es tatsächlich im Arbeitsalltag funktionieren kann in der Anerkennung und Wertschätzung von Unterschieden und Vielfältigkeit von Lebensverläufen.

Und auf dieser Basis erfolgt für mich die Beschreibung und all die Erinnerungen, die ich festhalten möchte, mit meiner eigenen Herkunft und Familie – selbst wenn manchmal Wut, Zorn und Ärger sich einmischen.

Der Mensch ist komplex und widersprüchlich. Spannungen sind Ambivalenzen, aus denen ich lerne. Ich sehe mich nicht als isoliert von anderen – selbst wenn ich sehr häufig aus meiner erlebten Perspektive berichte. Ich nutze die Ich-Perspektive, um Raum zu lassen für das Individuelle und Künstlerische und um weder das Soziologische noch das Psychologische gegeneinander auszuspielen.

Ich mache Fehler, und Scheitern als eine unausweichliche Konsequenz ist ein integraler Bestandteil des Alltags und gehört nicht in die Verbannung und verhindert, einem entmenschlichten Dogmatismus zu erliegen.

Meine Spurensuche ist nicht mehr oder weniger wichtig als die Spurensuche von anderen Menschen. Ich erinnere mich sehr genau, als wir im grünen Trabi im November 1989 die Grenze von Marienborn passierten. Die Freude und Euphorie und Sprachlosigkeit und ich erinnere mich an die tiefe Enttäuschung, Ernüchterung und Mutlosigkeit, die danach einsetze und eine andere Form von Sprachlosigkeit sich auf dem Sofa breit machte.

Spuren, Erinnerungen und Gefühle integrieren und vereinen – selbst wenn es auf den ersten Blick schier unüberwindbar widersprüchlich und in sich auflösend wirkt.

Grundsätzliches beim Schreiben über sexualisierte Gewalt und Gewalt (insbesondere gegen Frauen) …

Sexualität ist meiner Auffassung nach in allen gesellschaftlichen Bereichen ein Tabu. Sexualität, Sinnlichkeit und Begehren trenne ich streng von sexualisierte Gewalt und Sexismus, was mir sehr notwendig scheint. Es ist kein Geheimnis, dass Gewalt gegen Frauen nicht nur eine kleine Gruppe von Menschen betrifft. Für Frauen ist eher der häusliche, familiäre Bereich und in anderen sozialen Kontexten (Arbeitsplatz u.a.) eine Gefahrenzone, während Gewalt im öffentlichen Raum weniger geschlechtsspezifisch scheint (wobei ich keine konkreten Zahlen kenne und nennen kann).

Rassismus, Homophobie, Transphobie, Sexismus gehören ebenso in diesen Bereich von Gewalt. Der Begriff Gewalt kann verschiedene Facetten umfassen und den Begriff von Macht und Herrschaft einschließen.

Ich bin müde, was die theoretische und soziologische Ebene von Gewalt betrifft. Ebenso habe ich wenig Interesse an Fallberichten (die sicherlich sehr notwendig sind, um das Thema weiterhin aus der Grauzone zu holen) – mir sind Empowerment und das Auflösen von starren Täter_innen und Opfer*-Dynamiken wesentlich wichtiger und ein weitaus größeres Anliegen. So dass hier Doing und Undoing gender und das Hinterfragen von Männlichkeits- und Weiblichskeitsbilder/konstruktionen mir relevanter erscheinen als das Reproduzieren von Stereotype. Zudem – wenngleich dies zu selten in öffentlichen Diskussionen Erwähnung findet – häusliche Gewalt in gleichgeschlechtlichen Beziehungen scheint (sofern es Zahlen darüber gibt) ebenso so häufig vorzukommen wie in heterosexuellen Beziehungen.(vgl.:http://www.broken-rainbow.de/material/BR_Bundeserhebung_02_04.pdf)

Um der Kluft zwischen Theorie und Praxis wenig Raum zu lassen, bedarf es der eigene biografische Auseinandersetzung. Verantwortung für das eigene Handeln und Gefühle übernehmen und den Fokus auf Stärkung von Ressourcen lenken und weniger die defizitäre Brille aufsetzen, die eher zu Schwarz-Weiß-Malerei tendiert. Zusätzlich bemerke ich, insofern sich immer mehr Begrifflichkeiten (wie (Cyber)Mobbing, Stalking, übergriffig u.a.) im alltäglichen Sprachgebrauch etablieren, um so weniger scheinen Fragen um Konfliktverhalten, Veränderungsprozesse durch persönliche Krisen und das Aushalten von unterschiedlichen Meinungen, Positionen und Werten eine Rolle zu spielen. Sich streiten, miteinander auseinandersetzen, anderen seine Meinung zumuten und Spannungen riskieren – und nicht immer die gleiche Haltung zu teilen und trotzdem in Kontakt und Beziehung zu bleiben – geräten in den Hintergrund. Während soziale Erwünschtheit und das vorab Assoziieren, was mein Gegenüber wohlwollend aufnimmt – scheinen dadurch ein höheren Stellenwert zu gewinnen. Anstatt den gesellschaftlichen Blick für menschenverachtende Aktionen, Darstellungen und Verhaltensweisen zu schärfen und Zivilcourage zu stärken.

Literaturtipps:

http://www.anschlaege.at/

http://maedchenmannschaft.net/

Ich besuchte eine Veranstaltung des Frauenfilmfestivals. Luise Reddemann (http://www.luise-reddemann.de/home/) saß im Podium und erzählte erfrischend, dass sie komplett auf Tagesschau im Privaten verzichtet. Manchmal bietet ihr der Arbeitsalltag genügend Einblick in das Weltgeschehen.

Bilder können für traumatisierte Menschen eine Zumutung und Trigger für Flashbacks sein. Dies möchte ich eher vermeiden. Es gibt genug davon.

Trotzdem will ich den Film „Festung“ empfehlen. Die Regisseurin Kirsi Marie Liimatainen (http://de.wikipedia.org/wiki/Kirsi_Marie_Liimatainen) war mit Luise Reedemann im Podium, erzählte authentisch über das Entstehen des Films und welch sensibler Umgang ihr bei der Umsetzung des Drehbuchs wichtig war. Das hat mich nachhaltig beeindruckt. Der Film lässt Gewaltszenen erahnen und traut sich den Blick durch die Augen der Töchter, die als Teil der Gewaltdynamik schon früh eine große Last tragen müssen und sich manchmal so über Generationen hinweg Gewalt fortsetzen kann. Um so wichtiger ist es den Blick auf Empowerment und die Stärkung von Ressourcen zu richten. Damit es hier und da vielleicht gelingt die Spirale von häuslicher Gewalt nachhaltig zu durchbrechen.

Bedingt durch das Studium der Soziologie, Wahlfach Philosophie, Auseinandersetzung mit Gewaltfreier Kommunikation (M. Rosenberg), Mediation und diversen anderen Handwerkszeug, (Re)Traumatisierung und Flucht, Homophobie & Transphobie & Rassismus, (Re)Traumatisierung durch unsicheren Aufenthaltsstatus v.m. – unterliege ich hier selbst einem sich stets wandelnden Prozess – was Gewalt (immer im Zusammenhang mit Macht und strukturellen wie auch gesellschaftlichen Rahmenbedingungen), Grenzverletzung und grenzüberschreitendes Verhalten in Abgrenzung zum Verhalten in Konflikten, meiner eigenen Biografie und persönlichen Erfahrungen und verinnerlichten Stigmatisierungen, Vorurteilen und Ängsten bedeutet – hier wird es wohl vor allem in der Interaktion mit anderen Menschen immer wieder neue Aspekte, Überraschungen und Wendungen geben – einfach weil das Leben nicht berechenbar ist –

so schlagen in meinem Herzen viele Seelen und es genügt, wenn ich beim Schreiben dem Künstlerischem* den Vortritt lasse, mich nicht zwingen es in Form zu bringen – sondern den fließenden Übergängen und leisen Momenten meine Aufmerksamkeit schenke, was ebenso die Begegnung mit den eigenen (selbst)zerstörerischen Energien, Wunden und Gefühlen von Trauer, Verlassensein und Einsamkeit einschließt – es liegt in meiner Hand und in meiner Entscheidung, wie ich es kreativ umsetze, um möglichst einen lebensbejahenden Kreislauf darzustellen trotz Hürden, Hindernissen und Hemmungen …

. und so grundsätzlich wollte ich mir heute mal Zeit für diese grundsätzlich Randnotiz nehmen, die (wenn auch nicht immer sofort sichtbar und greifbar) den schöpferischen Prozess beeinflusst, verändert und (weiter)entwickelt …